Gastkommentar: Georg Patay, Geschäftsführer des Mobilenergieanbieters „energy4rent“, ist seit fast drei Jahrzehnten in der HLK-Branche in unterschiedlichen Managementfunktionen sowie in Verbänden aktiv. Für SHK-AKTUELL beleuchtet der ausgewiesene Branchenkenner regelmäßig unterschiedliche Haustechnikthemen aus seinem Blickwinkel.
Aktuell lebt in Österreich bereits 60 Prozent der Bevölkerung in Städten bzw. urbanen Siedlungsräumen und laut UN-Prognose wird sich dieser Anteil bis 2050 auf 70 Prozent erhöhen. Diese Entwicklung muss sich in der städtischen Energiepolitik widerspiegeln. Im Neubausektor hat sich die Energiewende durch die strengen Bauordnungen bereits vollzogen. Im viel größeren Bestandsmarkt ist eine Trendwende viel schwieriger einzuleiten – nicht zuletzt auch aufgrund der hohen Infrastrukturkosten. Daher sollte man innerhalb dieser energetischen Transformationsphase so viel Infrastruktur wie möglich weiter nutzen, um die Umstellungskosten „leistbar“ zu halten.
Gas bleibt unverzichtbarer Energiemix-Bestandteil
Intelligente, finanzierbare Lösungen sind für den urbanen Bestandsmarkt gefragt. Welche Konsequenzen ergeben sich daher für die städtische Energiepolitik?
Leitungsgebundene Energieträger wie Fernwärme, Fernkälte, Anergienetze sowie Strom werden weiter noch stärker an Bedeutung gewinnen. Aber auch Gas (heute Erdgas, in Zukunft „Grüne Gase“ wie Biogas oder Wasserstoff) wird weiterhin ein fester und unverzichtbarer Bestandteil der Energiewende sein.
Haben doch alle leitungsgebundenen Energien das „innerstädtische“ Transportproblem gelöst und gewährleisten direkt beim Kunden einen fließenden Übergang von fossil auf erneuerbar, ohne in die Technologie der Verbraucher eingreifen zu müssen. Eine kostspielige vor Ort Umstellung beim Endkunden entfällt in den meisten Fällen.
Liegt beim österreichischen Strom der erneuerbare Anteil bei etwa 80 Prozent, bei der Fernwärme im Österreichdurchschnitt bei ungefähr 50 Prozent, so wird der Transformationsprozess bei Erdgas in Richtung Biogas und Wasserstoff erst angestoßen, aber mit Sicherheit kommen.
Heizungsindustrie ist vorbereitet
Die Geräteindustrie bietet bereits heute Gasgeräte auf dem Markt an, die mit Wasserstoff angereichertes Erdgas und Biogasgemische problemlos verbrennen können. Erfolgversprechend bewerte ich auch die Entwicklung von Anergienetzen („kalter Fernwärme“) in Kombination mit dezentralen Wärmepumpen.
Diese hybriden Lösungen können mit unterschiedlichen Energiequellen wie z.B. Tiefenbohrungen, Erdkollektoren, Latentspeicher, thermische Nutzung von Abwässern kombiniert werden und sowohl für die Beheizung als auch für die Kühlung von Gebäuden herangezogen werden.
Umstellung auf Niedertemperatursysteme entfällt
Weiters kann man diese Netze zu einem größeren Systemverbund zusammenschließen und in mehrere Häuserblocks integrieren. Mit Vorlauftemperaturen von bis +70°C sind diese Sole/Wasser-Wärmepumpenlösungen in Kombination mit Anergienetzen ideal im Sanierungssektor einsetzbar.
Eine kostspielige Umstellung in den Wohnungen auf ein Niedertemperatursystem entfällt. Wie man sieht, gibt es bereits eine Vielzahl von intelligenten Lösungen, welche in Ballungsgebieten eingesetzt werden könnten. Leitungsgebundene Energieträger haben Zukunft. Packen wir diese großen Herausforderungen gemeinsam an und schaffen wir ein Klima der Lösungskompetenz unserer Branche!