Per 16.11. hat Russland die Gaslieferungen an die OMV eingestellt. Vorausgegangen ist dieser Entscheidung ein Rechtsstreit zwischen dem heimischen Mineralölkonzern und Gazprom, bei dem der OMV von einem Schiedsgericht 230 Millionen Euro Schadenersatz aus einem früheren Verfahren zugesprochen wurden.
Diese Mittel wollte die OMV mit dem russischen Unternehmen gegenrechnen und für die nächsten Lieferungen somit nichts zahlen. Damit war Gazprom nicht einverstanden. Laut der Handelsbörse schnellte aufgrund dieses Handelskonflikts der europäische Gaspreis kurzfristig auf den höchsten Stand seit einem Jahr. Entwarnung kam vom Bundeskanzler, der im Rahmen einer Sonderpressekonferenz am Freitag versicherte, dass die heimischen Gasspeicher mit rund 94 Terawattstunden randvoll seien, was eine Versorgung für rund ein Jahr sicherstelle. Zwar stehe dieser Bestand auch für andere Länder bereit, jedoch reiche die für Österreich reservierte Menge aus, um sowohl die heimische Infrastruktur, als auch die Haushalte problemlos zu bedienen. Zur Klarstellung: Es fließt zwar Erdgas aus Russland nach Österreich, aber eben nicht an die OMV, sondern ausschließlich an andere Abnehmer.
Was dies nun für Auswirkungen auf die heimische Energiesituation bzw. den Heizungsmarkt haben könnte, beantwortet „energy4rent“-Geschäftsführer und ausgewiesener Marktexperte Georg Patay im Rahmen des nachfolgenden Kommentars:
Georg Patay: In Österreich sind die Erdgasspeicher gut gefüllt – somit besteht aktuell für diesen Winter keine Gefahr, dass es zu einer Gasknappheit kommen wird. Aber was für mich unverständlich ist und was ich schon seit Jahren sage, ist, dass wir unsere Inlandsgasförderung nicht zum Wohl der Österreicher und der Versorgungssicherheit von Österreich ausbauen.
Derzeit liegt die Eigenförderung in Österreich bei lediglich zehn Prozent. Leider haben wir wertvolle Zeit verstreichen lassen, um die in Österreich vorhandenen Gasvorkommen zu fördern und zu nutzen. Dies ist zwar nicht populär, wäre aber sowohl für unsere Umwelt (importiertes LNG Gas aus den USA hat viel höhere CO2 Werte als im Inland gefördertes Erdgas), als auch für unsere Wirtschaft bzw. die Inflationseindämmung wichtig gewesen.
Technisch wäre es aus meiner Sicht durchaus möglich, in Molln bis zum nächsten Winter eine Gaslieferung herzustellen. Aber aufwändige UVPs, Bürgerinitiativen etc. verhindern das technisch Machbare. Übrigens haben auch die Wiener Geothermie-Bohrungen mit ähnlichen Hemmnissen zu kämpfen. Auch hier gibt es massive Zeitverzögerungen durch „bürokratische Auflagen ohne Mehrwert“, die die Einbindung von Geothermie in das Fernwärmenetz in Wien verzögern. Dies würde jedoch die Fernwärmeproduktion mittels Erdgas reduzieren.
In Österreich hätten wir mit unserem im Inland geförderten Gasvorkommen das Potenzial, das Land zwei bis drei Jahrzehnte autark zu versorgen. Diese realistische Brücke zur Defossilisierung unseres Energiesystems wurde bis dato noch immer nicht seriös in Betracht gezogen. So wurde etwa in diesem Jahr bis auf Vorarlberg und Tirol, die aus Deutschland versorgt werden, Erdgas fast ausschließlich aus Russland bezogen. Kanzler Nehammer muss sich nun massiv für Österreich in die Schlacht werfen, damit Deutschland die rechtswidrige Gasspeicherumlage von 2,50 Euro pro MWh nicht mehr an Österreich weiterverrechnet und so das Erdgas noch teurer macht.
Und welche Möglichkeiten gibt es neben der Inlandsförderung von Erdgas für Österreich? Erdgasleitungen, die von Italien nach Österreich führen, wären von der Kapazität zwar ausreichend, sind aktuell jedoch ausgebucht und wenn Kapazitäten überhaupt zu bekommen sind, dann nur mehr zu extrem hohen Preisen. Schade, dass hier keine entsprechende rechtzeitige Vorsorge getroffen wurde. So bleibt nur mehr die Möglichkeit, Erdgas aus Deutschland zu beziehen.
Auch wurde es verabsäumt, Alternativen zu Erdgas wie zum Beispiel den zügigen Ausbau von Biogasanlagen im Inland zu forcieren: Es wurde das ganze Engagement auf den „All-Electric-Ansatz“ gelegt. Welche Vorteile hätte die Inlandsförderung von Erdgas für Österreich? Man könnte die „abgeernteten“ Lagerstätten für die Speicherung von Erdgas und somit auch als strategische Gas-Reserve verwenden. Aber das ist ja nur ein Aspekt: In leeren Erdgas-Speichern kann man auch problemlos Wasserstoff oder CO2 speichern. Bei guter Projektplanung kann man sogar diese Erdgasfelder für die Nutzung von Geothermie weiterverwenden. All diese Aspekte wurden bis dato noch nicht seriös betrachtet und kommuniziert.
Es bleibt abzuwarten wie die Börsen am Montag reagieren werden. Zum Abschluss mein Appel an die Medien, die Branche und die Öffentlichkeit: Dank der vollen Speicher gibt es in diesem Winter keine Knappheit! Das gehört breit kommuniziert. Jede weitere Verunsicherung der Konsumenten in Hinblick auf die Gasverfügbarkeit macht die Situation nur noch schwieriger und verhindert mit Sicherheit keinen Preisanstieg, sondern provoziert Kurzschlusshandlungen der Konsumenten. Nur mit seriöser Fachinformation kann man Panikhandlungen verhindern. Die neue Regierung ist gefordert, eine verbindliche Roadmap für die Gasabsicherung in Österreich zu erarbeiten, um auch die Planungssicherheit für die Energieversorger und Netzbetreiber zu gewährleisten. Erdgas als Brückenenergieträger ist für die nächsten Jahrzehnte unverzichtbar. Hier geht es um viel Infrastruktur-Kapital – eine „Stop-and-Go-Politik“ wäre in diesem Zusammenhang ein absolutes „No-Go“. Infrastruktur kostet zwar, ist aber der Garant für einen prosperierenden Wirtschaftsstandort eines Landes.