Wenn der klimafreundliche Umbau der Energieversorgung gelingen soll, müssen alle an einem Strang ziehen, fordern die Netzbetreiber.
Bis 2030 wird die E-Wirtschaft insgesamt 60 Milliarden Euro in den Ausbau der erneuerbaren Energie investieren. Ein großer Teil davon betrifft die Übertragungs- und Verteilernetze, deren Kapazitäten verdreifacht werden sollen.
Doch der Netzausbau allein werde nicht reichen, um die Transformation zu einem klimafreundlichen Energiesystem in der nötigen Geschwindigkeit zu schaffen, so die Netzbetreiber. Für das Gelingen der Energiezukunft sei nicht nur die E-Wirtschaft alleine verantwortlich, sondern es müsse zu einem gesellschaftlichen Gesamtprojekt werden – so Netz Niederösterreich Geschäftsführer Werner Hengst.
Die Sprecherin des Forums Versorgungssicherheit, Brigitte Ederer, verlangt ein Umdenken: „Wir müssen alle an einem Strang ziehen. Nur wenn Produzenten, Konsumenten, die Netzbetreiber und die Politik zusammenspielen, kann die Wende gelingen.“
Ein fundamentaler Unterschied zwischen dem Stromsystem der Vergangenheit und dem der Zukunft liege in der Entkoppelung von Erzeugung und Verbrauch. Als der Strom noch aus wenigen Großkraftwerken kam, wurde die Erzeugung dort dem jeweiligen aktuellen Bedarf angepasst, denn bei fossil betriebenen kalorischen Kraftwerken sei die Produktion leicht steuerbar. Das treffe auf Wind- und Sonnenenergie nicht zu, sie unterliegen natürlichen, nicht beeinflussbaren Schwankungen. Deshalb müsse sich der Netzausbau künftig an der Erzeugung orientieren, nicht am Verbrauch. Dazu komme, dass bei PV und Windenergie extreme Leistungsspitzen auftreten können, die die Netze stark belasten.
Werner Hengst vergleicht die derzeitige Lage der Netzbetreiber mit dem Märchen vom Hasen und vom Igel: „Wir Netzbetreiber versuchen mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien Schritt zu halten, aber der Igel kann nicht so schnell werden wie der Hase. Wenn er mithalten soll, muss er die Rahmenbedingungen ändern.“
Ein Schritt, mit dem der Anteil an erneuerbaren Energien gesteigert werden und zugleich die Netze geschont werden könne, sei die Erhöhung des Eigenverbrauchs. Hengst: „Hier sind die Konsumenten gefragt. Private PV-Anlagen und Erneuerbare Energiegemeinschaften sollten einen möglichst hohen Anteil an Eigenverbrauch anstreben.“ Als zweite wichtige Maßnahme zur Steigerung der Effizienz der Netze nennt Hengst die dynamische Leistungsregelung: „Wenn die selten auftretenden Spitzenbelastungen abgeregelt werden, kann in Summe mehr an dauernder Leistung in den Netzen aufgenommen werden.“ Auch auf der Seite der Verbraucher können die Netze entlastet werden, etwa wenn die Netzbetreiber die Möglichkeit haben, leistungsintensive Nutzungen, wie das Laden von E-Mobilen, auf Zeiten geringerer Netzbelastung zu verschieben. Hengst: „Dafür braucht es Verständnis von Seiten der Produzenten und analog von Seiten der Kunden, zudem die Unterstützung von Gesetzgeber und Regulierungsbehörde, die solche Maßnahmen ermöglichen müssen. Auch die Beratungsleistung der Elektriker und Installateure spielen hier eine wesentliche Rolle.“
Eine weitere dringen nötige Maßnahme sieht Hengst im verstärkten Einsatz von Speichern. An einem typischen Sommertag im Jahr 2030, wo PV- und Windanlagen viel produzieren, der Verbrauch aber niedrig ist, könne rund 32 Gigawattstunden an Strom erzeugt werden, der für Speicherung zur Verfügung stehe. Für Netzbetreiber können Kurzzeit-Speicher überdies nützlich sein, um die Flexibilität der Netze zu erhöhen. „Dafür fehlen derzeit aber sämtliche rechtliche Rahmenbedingungen“, bedauert Hengst.
Diese und weitere Beispiele zeigen für Hengst, dass die Energiewende „eine Musketier-Mentalität brauche: Einer für alle – alle für einen.“ Die Herausforderungen sind bewältigbar, so Hengst, „wenn Netzbetreiber, Kunden und Kundinnen, Politiker und Behörden und als Vierte auch die Elektriker und Installateure mit dem gemeinsamen Willen zur Veränderung an die Probleme herangehen.“