Versorgungssicherheit, Umweltverträglichkeit und Wirtschaftlichkeit – das seien die Leitlinien des neuen Energiemasterplans der Wirtschaftskammer Österreich. Doch seit dieses interne Papier kürzlich aufgrund einer undichten Stelle an die Öffentlichkeit gelangt ist, laufen zahlreiche NGOs und Klimaexperten Sturm gegen das geleakte Konzept. Sie sehen in den geplanten Maßnahmen einen heftigen Nackenschlag für die Umwelt.
Vor allem die Umweltschutzorganisationen Global 2000 sowie das Ökobüro warnen vor massiven Rückschritten beim Umwelt- und Klimaschutz, wenn sich die Forderungen so durchsetzen, wie sie in diesem Konzeptpapier der WKÖ enthalten sind.
Sie stoßen sich unter anderem auch daran, dass geplant sei, Umweltorganisationen künftig aus Genehmigungsverfahren auszuschließen. Umweltjuristin Viktoria Ritter vom Ökobüro sieht hier gar ein rechtliches Foul: „Anerkannte Umweltschutzorganisationen sind an Genehmigungsverfahren von umweltrelevanten Projekten zu beteiligen, sie müssen auch Beschwerderechte haben – alles andere verstößt gegen das Völker- und Europarecht. Schon derzeit betreibt die Europäische Kommission wegen der mangelhaften Beteiligungsrechte von Umweltschutzorganisationen ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Republik, das bei Nicht-Umsetzung in einer Klage beim EuGH münden kann. Eine Einschränkung, so wie die WKÖ sie vorschlägt, würde die Vertragsverletzung noch verstärken. Die Verfahrensbeteiligung von Umweltschutzorganisationen dient der Sicherstellung von Umweltschutzstandards und stützt die öffentliche Akzeptanz von Energieprojekten.”
Nur schwer umkehrbare Effekte
Der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Beschwerden gegen Genehmigungsbescheide führe dazu, dass Projekte während eines Beschwerdeverfahrens vor dem Gericht bereits gebaut werden dürfen.
Das widerspreche dem europarechtlichen Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes. Es würden Schäden an der Umwelt verursacht, die im Nachgang schwer rückgängig gemacht werden könnten. Die Streichung von Beschwerderechten an den Verwaltungsgerichtshof führe zu mehr Rechtsunsicherheit. Dadurch werde verhindert, dass grundsätzliche Rechtsfragen durch den Gerichtshof auch für zukünftige Fälle geklärt werden und diese müssten im nächsten Verfahren wieder aufgerollt werden.
Auch sonst sieht Global 2000 viel Rückschrittliches im vorliegenden Dokument. So möchte die WKÖ erreichen, dass zahlreiche Steuerbegünstigungen eingeführt werden, darunter auch eine Steuersenkung auf fossiles Erdgas. Damit würde umweltschädliche Energie günstiger werden und die Energiewende damit behindern. Gleichzeitig halte man laut diesem Umweltschutzverband an Scheinlösungen fest und wolle E-Fuels im Straßenverkehr einsetzen, obwohl diese Treibstoffe zum einen kaum vorhanden seien und zum anderen als ineffizienteste Technologie, sich mit einem Fahrzeug fortzubewegen, auch künftig keinen nennenswerten Beitrag zur Mobilität leisten können.
Zudem wolle man etwa eine „Zwischenfinanzierung“ der öffentlichen Hand für die CCS-Infrastruktur (Abscheidung von CO2). Das würde ein Milliardenloch in öffentliche Finanzen reißen und entspräche nicht dem Verursacherprinzip, dem zufolge diejenigen, die das Problem verursachen, auch zur Lösung beizutragen hätten.
Finanzierungslast liegt beim Steuerzahler
„Die Wirtschaftskammer will sich jeden Beitrag zum Klimaschutz von den Steuerzahlern finanzieren lassen und schreckt nicht einmal davor zurück, den Ausbau von umweltschädlichen Subventionen vorzuschlagen, obwohl im kürzlich vorgestellten ‚Nationalen Energie- und Klimaplan‘ genau das Gegenteil vorgesehen ist. Sie stellt sich damit gegen die Erreichung der Klima- und Energieziele in Österreich und gegen die vielen Unternehmen, die schon jetzt einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten, Innovationen voranbringen und ihre Verantwortung ernst nehmen“, so Johannes Wahlmüller von Global 2000.
Im geleakten Entwurf des Energiemasterplans, der der Redaktion von SHK-AKTUELL vorliegt, benennt die Wirtschaftskammer jedenfalls konkret ihre energiepolitischen Wünsche an die künftige Regierung. Darin ist jedoch über einen Ausstieg aus fossilen Energieträgern nichts zu lesen. Eher im Gegenteil. Festgeschrieben wurde, dass während der „Energietransformation“ Öl und Gas zwar eine geringere, jedoch auch weiterhin tragende Rolle spielen solle, um die Versorgung sicherzustellen und die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Die Wirtschaftskammer wünsche sich diesbezüglich eher Anreize für Innovationen über Förderungen hinaus, anstatt gesetzlicher Verbote. Konkret solle etwa die E-Fuels-Produktion unterstützt werden, da die WKÖ in diesem klimaneutralen Treibstoff ebenso wie auch in Wasserstoff eine wichtige Rolle für die Industrie und den Verkehr sehe.
Ziele im Originalwortlaut
Im Originalpapier ist der Antrieb für diese Konzepterstellung folgend formuliert: Die WKÖ tritt für eine langfristige Neujustierung der Energiepolitik ein, die neben ökologischen Aspekten auch wirtschaftliche Notwendigkeiten berücksichtigt, die Energieversorgung sicherstellt und sich an europäischen klima- und energiepolitischen Vorgaben orientiert.
Grundvoraussetzung für das angestrebte effiziente und nachhaltige Energiesystem ist ein funktionierender Energiebinnenmarkt. Der grenzüberschreitende Austausch von Energie sowie bilaterale und internationale Kooperationen fördern nicht nur die wirtschaftliche Effizienz, sondern auch die Integration erneuerbarer Energien. Zudem schafft der Energiebinnenmarkt Anreize für Investitionen in saubere Technologien sowie in Infrastruktur und trägt maßgeblich zu Stabilität und Nachhaltigkeit der europäischen Energieversorgung bei. (…) Um das Innovationspotenzial der heimischen Wirtschaft zu heben, müssen Prinzipien wie Technologieoffenheit und Technologieneutralität forciert werden. Technologieoffene Rahmenbedingungen ermöglichen es, flexibel auf zukunftsweisende Entwicklungen zu reagieren und gleichzeitig das volle Potenzial von Innovationen auszuschöpfen. Österreichische Unternehmen haben dadurch die Möglichkeit, international mit Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung zusammenzuarbeiten und effektive Lösungen zu entwickeln. Auf regulatorischer Ebene sichert das Prinzip der Technologieneutralität Regeln und Standards, die es allen für Österreich relevanten Technologien ermöglichen, sich unter gleichen Bedingungen zu behaupten. Zur Erreichung festgelegter Ziele ist ein fairer Wettbewerb zwischen verschiedenen Technologien notwendig, ohne einzelne zu bevorzugen oder zu verbieten.
Die von der WKÖ vorgeschlagenen Maßnahmen können im Originaldokument hier nachgelesen werden: https://t.ly/ZbHwE