Bei der Marktliberalisierung vor mehr als 20 Jahren wurde aus volkswirtschaftlicher Sicht entschieden, die Energienetze für Strom und Gas von den Energievertrieben zu trennen.
Den Netzbetreibern wurden natürliche Monopole zuerkannt, weil es volkswirtschaftlich keinen Sinn machen würde, z.B. beim Wechsel des Energielieferanten neue Leitungen bauen zu müssen. Die Netze müssen allen Lieferanten offenstehen, dafür können die Entgelte für die Benutzung von den Netzbetreibern nicht nach eigenem Ermessen festgelegt werden.
Für die Höhe der Entgelte („Netztarif“) ist die Regulierungsbehörde e-Control zuständig. Diese ermittelt Jahr für Jahr im sogenannten Kostenermittlungsverfahren, der jährlichen „Betriebsprüfung“ der Netzbetreiber, die angemessenen Kosten. Im Detail werden die Aufwände für den laufenden Betrieb und die getätigten Investitionen geprüft. Erst wenn anerkannt wird, dass sparsam und im Sinne der Konsumenten (= Netzbenutzende) gehandelt worden ist, wird anhand dieser Kosten das Netzbenutzungsentgelt für das Folgejahr festgelegt. Die jetzt in den vergangenen beiden Jahren merkbar gestiegenen Aufwendungen durch die allgemeine Inflation finden sich also auch – mit rund einem Jahr Verzögerung – in den verordneten Entgelten wieder. Die E-Control fasst diese Erkenntnisse zusammen und schlägt dann die Höhe der Entgelte für das Folgejahr vor. Diese werden dann von der durch die Bundesregierung eingesetzte Regulierungskommission geprüft und verordnet.
„Jeder Netzbetreiber ist außerdem zur größtmöglichen Effizienz angehalten, denn die ermittelten Aufwände werden mit jenen der anderen Netzbetreiber in ein Vergleichssystem eingebracht, in dem nur der effizienteste Netzbetreiber 100 Prozent der Kosten refundiert bekommt“, erklärt Michael Haselauer, Geschäftsführer der Netz Oberösterreich. „Wer nicht ausreichend effizient ist, muss mit prozentuellen Abschlägen rechnen.“ Aktuell stellen aber die Effizienzkriterien ausschließlich auf Abgabemengen und Netzkenngrößen ab, Netzinvestitionen zur Erhöhung der Einspeisekapazitäten sind noch nicht entsprechend berücksichtigt. Um auch zukünftig Anreize für Netzbetreiber zu geben, noch besser und noch effizienter zu werden, müssen im Regulierungsmodell der „Anreizregulierung“ Weiterentwicklungen vorgenommen werden.
Das aktuelle Regulierungsmodell ist seit der Marktliberalisierung vor mehr als 20 Jahren im Wesentlichen gleich geblieben: Die Kosten für die Energienetze werden auf die verschiedenen Netzebenen verteilt und dort auf die verbrauchten Kilowattstunden aufgeteilt. In diesem Modell sind die Rahmenbedingungen, die sich in den vergangenen Jahren durch den massiven Ausbau der dezentralen Erzeugungsanlagen (vorwiegend Photovoltaik) grundlegend geändert haben (und noch weiter verändern werden), aber nicht berücksichtigt.
Die Netzbetreiber haben bereits vor Jahren auf diese kommende Veränderung hingewiesen und Alternativen vorgeschlagen, mit denen der Leistungskomponente mehr Gewicht zugemessen wird. Diese leistungsabhängigen Netztarife ermöglichen dann eine faire Aufteilung der Kosten des Ausbaus. Nicht nur die verbrauchte Strommenge, sondern auch die beanspruchte (Spitzen-)Leistung sollen im Netztarif berücksichtigt werden. Weiters sollte das Tarifsystem Anreize für Eigenproduktion und Eigenverbrauch liefern. Wenn die zahlreichen Betreiber von privaten PV-Anlagen und „Balkonkraftwerken“ ihren Strom selbst verbrauchen und den Rest speichern, statt alles ins Netz einzuspeisen, würde das die Netze entlasten.
Experten sind überzeugt, dass sich das Energiesystem in diese Richtung weiterentwickeln wird – mit noch mehr Windenergie, noch mehr Photovoltaik und noch mehr Batteriespeichern in den eigenen vier Wänden oder in Energiegemeinschaften. Haselauer: „Im Sinne der Allgemeinheit muss aber sichergestellt sein, dass alle, die das Netz benutzen, auch einen Beitrag zu Ausbau und Erhalt der Netze leisten. Aktuell finanzieren diejenigen, die nicht in eine eigenen PV-Anlage investieren können, das Netz für die, die sich selbst versorgen können. Es braucht dringend eine sozial gerechte Anpassung des Systems, damit das Netz auch in Zukunft für alle leistbar bleibt.“