Das heimische Traditionsunternehmen Austria Email konnte trotz schwieriger Branchenlage in wesentlichen Produktkategorien Marktanteile zulegen. Wir haben Austria Email Vorstand Martin Hagleitner gefragt, an welchen Stellschrauben dafür gedreht werden musste und wie er die aktuelle Situation am Heizungsmarkt ganz generell einschätzt.
Das aktuell für die Haustechnik-Branche besonders herausfordernde Jahr neigt sich seinem Ende zu. Zeit, für ein Fazit. Wie stellt sich aus Ihrer Sicht die aktuelle Situation am Heizungsmarkt dar?
Die Branche ist 2024 mit großen Herausforderungen konfrontiert und die Lage am Markt ist sehr angespannt. Dies zeigt sich an den Zahlen: In Österreich ist der Wärmepumpenmarkt im 1. Halbjahr 2024 gegenüber dem 1. Halbjahr 2023 um rund 30 Prozent zurückgegangen – wenn auch von sehr hohem Niveau. Gründe dafür sind der massiv eingebrochene Neubau, die schwache Sanierungsdynamik und die Verunsicherung kombiniert mit fehlender Planungssicherheit sowohl auf Seiten der Konsumenten als auch der Unternehmen. Eine Erholung der Situation ist unmittelbar noch nicht absehbar, aber es gibt positive Anzeichen: Der Markt hat im 3. Quartal 2024 wieder angezogen und auch die Zahl der Förderanträge ist gestiegen – auch wenn sich dies noch nicht im Umsatz niedergeschlagen hat. Darüber hinaus ist den Konsumenten bewusst, dass der überalterte Bestand mit ineffizienten Geräten eine starke Belastung hinsichtlich Betriebskosten und schädlicher Umweltwirkung ist. Die Sparquoten sind enorm, die CO2-Steuer steigt und es gibt hohe Förderungen. Damit sollte sich konsumentenseitig die Nachfrage 2025 schrittweise wieder erholen.
Sie sind in der Tagespresse mit Ihren Wortmeldungen sehr präsent. Vor allem, was die Maßnahmen zur Energiewende seitens der Regierung betrifft. In Ihrer Kritik adressieren Sie vor allem den Reformstau und sprechen von „politischem Pfusch“. Wo hat die öffentliche Hand aus Ihrer Sicht besonders gepfuscht?
Wir sind in der Tagespresse vor allem mit Beitragen präsent, die das Bewusstsein für nachhaltiges Heizen und die Sanierungsfreude der Bevölkerung steigern sollen. Dabei legen wir einen starken Schwerpunkt auf Informationen mit Service-Charakter, Tipps für Konsumenten sowie die Aufklärung zu Irrtümern, Heizungsmythen und Vorbehalten. In Richtung Politik erlaube ich mir den Befund, dass unsere Republik „förderreich“, aber „reformschwach“ ist. Wir – und auch andere Vertreter der Branche – kritisieren nicht nur, sondern bringen uns vor allem seit Jahren kontinuierlich mit konkreten Lösungsvorschlägen ein. Dazu zählen beispielsweise steuerliche Anreize für Vermieter, legistische Anpassungen im Miet- und Wohnrecht, wie auch vereinfachte sowie einheitliche Gebäude- und Förderstandards. Ein Beispiel für „politischen Pfusch“ ist die gut gemeinte 100-Prozent-Förderung für den Heizungstausch einkommensschwacher Haushalte. Hier steckt der Teufel im Detail: „Sauber heizen für alle“ berücksichtigt schlichtweg nicht die Lebensrealität und die finanziellen Engpässe vieler Österreicher. Denn in der Praxis sehen wir, dass sich viele – auch im Mittelstand – die Zwischenfinanzierung nicht leisten können und auch nicht an Kredite dafür kommen. Auf dieses Problem haben wir frühzeitig hingewiesen, aber es wurde von politischer Seite bis heute nicht gelöst.
Das jüngst verabschiedete „Erneuerbare Wärme Paket (EWP)“ sei aus Ihrer Sicht eine vertane Chance. Warum?
Die Antwort ist sehr einfach: Das „Erneuerbare Wärme Paket“ verdient den Namen „Paket“ nicht. Dass das EWP eine vertane Chance ist, zeigt die Realität: Der von politischer Seite angekündigte „große Run“ auf den Heizungstausch ist bisher ausgeblieben. Was fehlt, ist ein langfristiger Masterplan mit flankierenden Reformen, Ausstiegsvorgaben und steuerlichen Anreizen. Zur Veranschaulichung zwei konkrete Vorschläge: Im Miet- und Wohnrecht muss die Entscheidungsfindung im mehrgeschoßigen Wohnbau an die Anforderungen der Wärmewende angepasst werden. Zusätzlich bedarf es nachhaltiger Anreize für Vermieter, wie etwa eines Mietzuschlags für Gebäude mit erneuerbarer Wärmebereitstellung und gesteigerter Energieeffizienz oder eine vorzeitige Abschreibungsmöglichkeit. Wenn die Politik es mit der Wärmewende ernst meint und Österreich bis 2040 klimaneutral werden soll, muss der Reformstau endlich angegangen werden.
Was machen andere Länder besser, von wem lassen sich gute Maßnahmen „abschauen“?
In Ländern, die einen Mix an Instrumenten einsetzen, ist die Sanierungsdynamik deutlich höher. Genau das zeigt auch eine Studie des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) gemeinsam mit dem Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) in Berlin in einer Analyse von Politikinterventionen aus 41 Ländern auf. Laut der Studie ist quer durch die Sektoren Gebäude, Strom, Industrie und Verkehr sowohl in Industrieländern als auch in den Entwicklungsländern ersichtlich, dass es bei Klimaschutzmaßnahmen auf den richtigen Mix ankommt und diese vor allem in jenen Staaten erfolgreich sind, die auf eine Kombination aus Vorgaben, Anreizen, Preis- und Steuermechanismen setzen.
Die aktuelle politische Kräfteverteilung schafft Raum für Spekulationen. Der vorweihnachtliche Wunsch ans Christkind: Wen wünschen Sie sich in die Regierung, bzw. – anders gefragt – von welcher Konstellation erwarten Sie sich die jetzt erforderlichen Reformschritte am ehesten?
Angesichts der schwachen Konjunktur und der massiv eingebüßten Wettbewerbsfähigkeit Österreichs haben sowohl das künftige Regierungsprogramm, als auch die personelle Zusammensetzung eine ganz entscheidende und weitreichende Bedeutung. Ideologische Grabenkämpfe haben hier nichts verloren. Nun zählt vor allem eine starke Standortpartnerschaft sowie eine Reform-Allianz. Diese sehe ich eher mit einer „liberal-konservativen“ Koalition aus FPÖ und ÖVP umsetzbar. Mit Verweis auf die deutsche Ampel kann ich einer Regierungszusammenarbeit unter der Führung von Schwarz und Rot wenig abgewinnen. Ich erwarte, dass der Herr Bundespräsident als erklärter Hüter der Demokratie den Willen der Wähler respektiert. „Deutsche Verhältnisse“ kann ich nicht als Ausdruck des Wählerwillens erkennen. Ein Wiederaufleben des „Stagnationskartells“ aus großer Koalition, Sozialpartnern und Landesfürsten würde weder dem Potenzial unseres Landes, noch dem dringenden Handlungsbedarf gerecht.
Schaut man zu unseren deutschen Nachbarn, werden dort die Stimmen aus der Industrie immer lauter, die die Aufgabenverteilung als nicht mehr zeitgemäß empfinden. Immer mehr Unternehmen wollen allfällige Montageflaschenhälse durch eigene Maßnahmen kompensieren. Ticken die Deutschen da anders, oder gilt das auch für Österreich?
Die Boom-Phase wie auch der massive Nachfrageeinbruch haben uns die eigenen Grenzen aufgezeigt. Sowohl der technologische als auch der demographische Wandel und der unumkehrbare Prozess der Dekarbonisierung im Gebäude- und Anlagebestand stellen alle Vertriebsstufen auf die Probe. Selbstverständlich gibt es nicht nur regulatorischen Reformbedarf, sondern auch die Notwendigkeit von Anpassungen auf Unternehmensseite. Fakt ist, dass wir als Branche sicherstellen müssen, dass wir das große Potenzial des überalterten Anlagebestandes wie auch des gestiegenen Bewusstseins auf Konsumentenseite nutzen und die vorhandene Kaufkraft der Haushalte in nachhaltige Investitionen lenken. Dazu bedarf es einer Offenheit für Lösungen zur Steigerung der Energieeffizienz und der erneuerbaren Energien. Dabei dürfen wir uns nicht selbst im Weg stehen und müssen durch Anpassung der Prozesse und der Arbeitsteilung im mehrstufigen Vertrieb mögliche Hürden und Flaschenhälse beseitigen. Zentrale Erfolgsfaktoren sind die fachliche Weiterentwicklung und die Gewinnung guter und motivierter Leute für unser Geschäft.
Ist aus Ihrer Sicht die Wärmepumpe das Mantra der Energiewende, oder teilen Sie die Meinung jener Lobby, die eher in einem System-Mix die Lösung sieht?
Bei alten, ineffizienten fossilen Wärmeerzeugern ist die Wärmepumpe in der Sanierung der optimale Ersatz. Wenn es sich im Bestand um neu angeschaffte, energieeffiziente Gasbrennwertgeräte handelt, dann haben auch hybride Lösungen – zumindest für eine gewisse Übergangszeit – ihre Berechtigung. Auch im mehrgeschossigen Wohnbau – inklusive der Altbau-Sanierung – sind Wärmepumpen relevant.
Ein Beispiel zur Veranschaulichung: Bei einem Objekt mit 30 Wohnungen kann die Heizungssanierung etwa mit sechs in Kaskade geschaltenen Split-Wärmepumpen „AE LWP“ erfolgen, die Warmwasserbereitung erfolgt über Erdwärmepumpe Booster. Eine andere Variante ist die Nutzung von zwei in Kaskade geschaltenen Erdwärmepumpen „AE High Power“, für die Warmwasserbereitung wird mit smarten Boilern „AE Eco Grid“ gesorgt. Für die Transformation im Gebäudebestand und das Gelingen der Energiewende ist neben den schon genannten Reformen entscheidend, dass die entsprechende Infrastruktur wie Netze und Speicher ausgebaut wird.
Wie konnte sich Austria Email im aktuell schwierigen Umfeld positionieren?
Während wir im Jahr 2023 noch einen Umsatzzuwachs verzeichnen konnten, ist das Geschäft 2024 drastisch eingebrochen und die Marktlage ist für die gesamte Branche weiterhin angespannt. Auch die Austria Email kann sich der Branchenentwicklung nicht entziehen. Produktseitig ist es uns dennoch gelungen, in wesentlichen Produktkategorien Marktanteile zu gewinnen. Darüber freuen wir uns angesichts der Marktsituation aber nur begrenzt. In Summe ist es für die Branche essenziell, dass Nachfrage und Sanierungsfreude wieder steigen, damit wir unsere erhöhten Kapazitäten auslasten können. Deshalb verstecken wir uns auch nicht hinter den schwierigen Rahmenbedingungen und politischen Versäumnissen. Vielmehr arbeiten wir konsequent an all jenen Faktoren, die wir beeinflussen können, wie der Optimierung von Prozessen, Steigerung der Effizienz, Digitalisierung und Innovation, um unsere Möglichkeiten voll auszuschöpfen.
Mit welchen Produktneuheiten dürfen wir schon bald rechnen?
Unser Wärmepumpen-Sortiment haben wir kürzlich mit der Monoblock „LWPM 16“ erweitert, die sich durch noch mehr Leistung mit 16 kW speziell für Sanierungsprojekte eignet – sowohl in Verbindung mit Radiatoren als auch mit einer Fußbodenheizung. Aktuell sind wir mit unserer jüngsten Neuentwicklung, der smarten PV-Heizung zur mühelosen Integration in bestehende Heizsysteme, auf dem Markt. Auch 2025 haben wir einige Neuheiten im Programm und bringen unter anderem Innovationen bei Elektrospeichern mit PV-Einbindung, Fernwärmespeichern mit PV-Einbindung sowie Fernwärmespeichern mit Montagerahmen auf den Markt. Auch unser Wärmepumpen-Sortiment werden wir 2025 weiter ausbauen und unter anderem eine neue Geräte-Generation mit dem Kältemittel Propan präsentieren.
Planen Sie den Ausbau Ihres Portfolios, beispielsweise durch Zukäufe, oder gilt es jetzt eher, Stärken zu stärken?
Durch das breite Systemangebot an energieeffizienten Lösungen bei Heizung und Warmwasser sowie den Verbund mit unserer weltweit tätigen Mutter, dem französischen Familienkonzern Groupe Atlantic, bietet die Austria Email ein zukunftsorientiertes Portfolio. Unser Sortiment zeichnet sich auch durch einen starken Fokus auf Green Products und smarte Lösungen aus. Zukäufe sind – auch aufgrund der derzeitigen europaweiten Überkapazitäten – nur sehr selektiv und zur Festigung oder der Erlangung relevanter Marktanteile eine Option.
Abschließend die traditionelle Frage für einen Blick in die Glaskugel: Wann rechnen Sie mit einer Konsolidierung des Marktes und wann dürfte es wieder bergauf gehen? Inwieweit spielt dabei die Versorgungssicherheit mit Primärenergie eine Rolle?
Trotz der aktuellen Situation sehe ich auch jene Faktoren, die günstig für einen zeitnahen Aufschwung sind. Die hohen Ersparnisse der Haushalte und auch in 2025 noch voll dotierten Fördertöpfe sowie EU-weite Vorgaben zur Dekarbonisierung sprechen ebenso für eine schrittweise Rückkehr zum Wachstum, wie die gestiegene Betroffenheit und Sorge der Bevölkerung um Umwelt, Klimaschutz und Ressourcenschonung. Auch eine Erholung der Bautätigkeit und langfristig sinkende Zinsen werden den Markt beleben. Weiters ist die Frage der Versorgungssicherheit aufgrund des anhaltenden Angriffskriegs auf die Ukraine und das Szenario eines Gas-Lieferstopps schon ab 2025 wieder verstärkt in den Vordergrund gerückt. Fakt ist: Der sukzessive Ausstieg aus Öl und Gas hin zu nachhaltigen Heizsystemen und Warmwasserbereitern ist unumkehrbar.