In knapp zwei Wochen wird eine neue Regierung gewählt. Ein guter Zeitpunkt, die einzelnen Parteien zu analysieren, wie sie zu zentralen Energie- und Klimaschutzvorhaben stehen. Der „Dachverband Erneuerbare Energie“ hat das gemacht.
Mindestens 186 Terawattstunden (TWh) sollen bis 2030 in Österreich aus erneuerbarer Energie kommen, der Anteil fossiler Energie muss bis dahin noch um mehr als 60 Prozent (vom Stand 2023) reduziert werden – das sind die Ziele des Nationalen Energie- und Klimaplans (NEKP), den die Regierung am 20. August an die EU-Kommission übermittelt hat.
Die Ziele sind somit klar. Aber wo steht Österreich auf dem Weg dahin und welche konkreten Vorschläge haben die Parlamentsparteien, um die Ziele zu erreichen? Der EEÖ hat die Parteien befragt und die Wahlprogramme für den Erneuerbaren-Check analysiert.
„Das Ergebnis bringt nur wenig Konkretes: Einige schöne Überschriften und Absichtserklärungen, wenige konkrete Maßnahmen, so manches Desinteresse und das eine oder andere wirklich Hinderliche für die Energiewende und den Klimaschutz“, sagt Martina Prechtl-Grundnig, Geschäftsführerin des Dachverbands Erneuerbare Energie Österreich, zu den Stellungnahmen und Wahlprogrammen der Parteien.
Das Bild zeige laut Prechtl-Grundnig zwar ein grundsätzliches Bewusstsein der meisten Parlamentsparteien, dass Rahmenbedingungen für die Transformation zu schaffen seien. Konkret werde es aber nur noch bei wenigen Parteien.
„Die heißen Eisen, wie etwa mehr Verpflichtungen für Bundesländer, ein wirksames Klimaschutzgesetz und ein klarer Pfad für den Ausstieg aus fossilen Heizungen werden von allen Parteien außer den Grünen und den Neos ausgespart“, kritisiert die EEÖ-Geschäftsführerin. „Die FPÖ strebt einerseits nach Unabhängigkeit und Selbstversorgung, bekennt sich aber weder zum Ausbau aller Erneuerbaren noch legt sie auch nur ansatzweise Ideen für eine Transformation des Energiesystems vor. Vom Klimaschutz ganz zu schweigen.“
„Es ist positiv, dass die ÖVP-Grünen-Regierung PV-Anlagen für Private wesentlich erleichtert und Fördermittel aufgestockt hat“, sagt Vera Immitzer, Geschäftsführerin vom Bundesverband Photovoltaic Austria (PVA). „Mit Förderungen allein erreicht Österreich jedoch niemals seine selbst gesteckten Erneuerbaren-Ziele. Dafür braucht es moderne und zielgerichtete Gesetze. Es ist daher vollkommen unverständlich und politisch verantwortungslos, dass es nicht gelungen ist, fertig verhandelte Gesetze, wie das Elektrizitätswirtschaftsgesetz, zu beschließen.“
Christoph Pfemeter, Geschäftsführer des Österreichischen Biomasse-Verbands (ÖBMV) zieht folgendermaßen Bilanz: „Die Tatsache, dass sich die Bioenergie bis 2030 noch vor Erdöl und Erdgas zum bedeutendsten Energieträger entwickeln soll, ist sehr positiv und deckt sich auch mit den Forderungen der internationalen Energieagentur und dem IPCC. Nur wenn wir die Stärken der volatilen Erneuerbaren und der speicherbaren Bioenergie kombinieren, ist der Ausstieg aus fossilen Energien tatsächlich möglich. Mit der Umsetzung der Carbon-Management-Strategie bleibt die Klimaneutralität zumindest theoretisch erreichbar.
Die Wärmewende, also der Ausstieg aus Ölheizungen, ist mit dem Kesseltauschförderprogramm sehr gut aufgestellt, hier braucht es nun vor allem Kontinuität. Im Strombereich sind die Fördermechanismen für die Produktion von Winterstrom unzureichend, hier werden die Ziele sicher verfehlt. Die Einführung von E-10 war ein wesentlicher Schritt, der nun eine weitere Erhöhung der Beimischungsraten und die Forcierung der Reinverwendung von modernen Biotreibstoffen im Schwerlast- und Flugverkehr folgen sollte. Das Fehlen des Erneuerbares-Gas-Gesetzes ist nicht nachvollziehbar. Ohne das Gesetz bleiben der Ausstieg aus russischem Gas und die Erreichung der Grüngas-Ziele illusorisch.“
„Fast schon skurril scheint es, dass alle Parlamentsparteien den Ausbau und die Modernisierung der Netzinfrastruktur wichtig finden, in dieser Legislaturperiode aber das dafür so wichtige Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG) zuletzt von der ÖVP aufgehalten wurde und keine Bemühungen zu einer Beschlussfassung von dieser Seite mehr erkennbar sind“, sagt Prechtl-Grundnig. „Ein ähnliches Bild zeichnet sich ab für das Thema der Erneuerbaren Gase. Auch hier zeigt unsere Erhebung, dass alle Parteien – außer der FPÖ – dabei Fortschritte als wichtig erachten. Zuletzt ist aber ein entsprechendes Gesetz an der fehlenden Zustimmung der SPÖ gescheitert.“
Was die nächste Bundesregierung liefern muss
Erneuerbare Energien sind nicht nur der einzige Ausweg, um die dramatischen Folgen der Klimaerwärmung abzuschwächen, sie sichern – trotz wahlkampfbedingter Unkenrufe – den Wirtschaftsstandort Österreich und ermöglichen den Menschen im Land stabile und leistbare Energiepreise.
Ohne erneuerbare Energieerzeugung im Land werden weiterhin Milliarden für Öl und Erdgas ins Ausland gepumpt. Dass die Erneuerbaren ein „grüner Turbo für Wachstum und Beschäftigung“ sind, zeigt allein der notwendige Ausbau der Stromnetze und -leitungen in Österreich, der mehr als 300.000 hochwertige Arbeitsplätze neu schaffen oder sichern wird.
Der Dachverband Erneuerbare Energie Österreich und die Erneuerbaren-Verbände fordern daher von der nächsten Bundesregierung, wobei das ElWG und das EGG besser noch in dieser Legislaturperiode beschlossen werden müssen:
Das Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG)
Das Elektrizitätswirtschaftsgesetz soll das veraltete ElWOG (Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz) ablösen, um den modernen und gestiegenen Anforderungen an Netzanschlüsse, Rechte von Kund*innen, Flexibilisierung bei Angebot und Verbrauch gerecht zu werden sowie neue Geschäftsmodelle zu ermöglichen. Das Gesetz ist in den Regierungsparteien fertig verhandelt und längst überfällig. Wird es nicht rasch beschlossen, droht Stillstand.
Anpassungen im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG)
Die ursprünglichen Ausbauziele im EAG müssen an die EU-Vorgaben (RED III) angepasst und angehoben werden. Die zuletzt im NEKP und ÖNIP festgehaltenen Ausbaubedarfe für die einzelnen Technologien gelten dabei als Mindestwerte. Für mehr Planungssicherheit soll im adaptierten EAG festgeschrieben sein, dass Marktprämien und Investitionszuschüsse stets zwei Jahre im Voraus bekannt gemacht und automatisch valorisiert werden sollen. Darüber hinaus soll es stärkere Anreize für Doppelnutzungskonzepte (PV-Überdachungen, Agri-PV etc.) und Bonussysteme für innovative Konzepte (Flexibilisierung des Energieverbrauchs) geben sowie Fördermechanismen für die Produktion von Winterstrom.
Einen klaren Rechtsrahmen für die Wärmeversorgung
Die Energiewende ist zu großen Teilen auch eine Wärmewende. Für mehr Planungssicherheit von Konsument:innen (und Betrieben) braucht es daher einen gesetzlichen Rahmen mit einem klaren, stufenweisen Ausstiegsplan aus fossilen Energieträgern, langfristig abgesicherten Fördermitteln für den Heizungstausch auf Erneuerbare und die Einführung regionaler Wärmepläne.
Das Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz (EABG)
Genehmigungen von Energiewende-Projekten können sich über mehrere Jahre hinziehen. Das ist zu lange. Das Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz soll die Vorgaben der EU-Richtlinie RED III umsetzen: Das EABG soll eine rechtliche Verankerung des überragenden öffentlichen Interesses für Energiewendeprojekte bringen, Genehmigungsverfahren vereinheitlichen und strukturieren, bestimmte Anlagen von Genehmigungen freistellen, Beschleunigungsgebiete für alle Technologien der Energiewende etablieren und verbindliche Erhebungsstandards für artenschutzrechtliche Prüfungen festlegen.
Geteilte Verantwortlichkeit von Bund und Bundesländern
Oft scheitern Erneuerbare-Energie-Projekte an den jeweiligen Länderkompetenzen. Für die Wahrnehmung der gesamtstaatlichen Aufgaben Energiewende und Klimaschutz ist die Beteiligung aller gebietskörperschaftlichen Ebenen in einem kohärenten Politikrahmen erforderlich. Während Österreich als Mitgliedsstaat gegenüber der Europäischen Union für die Einhaltung der gemeinschaftlichen Ziele verantwortlich zeichnet, liegt ein großer Teil der Gesetzgebungskompetenz für die Ausführung bei den Bundesländern.
In einem Bund-Länder-Dialog sollen daher Österreichs EU-Ziele im Bereich erneuerbare Energie auf die einzelnen Bundesländer heruntergebrochen und dann verbindlich verankert werden. Zusätzlich soll die Honorierung von Klima- und Energieaktivitäten im Finanzausgleich (Zukunftsfonds) weiterentwickelt werden.
Speicherstrategie für Strom und Wärme
Die Speicherung von Energie spielt eine besondere Rolle für eine kontinuierliche und bedarfsgerechte Versorgung mit Energie, für Versorgungssicherheit und Resilienz im Energiesystem und um Preisverwerfungen entgegenzuwirken. Daher braucht es die Erarbeitung einer Stromspeicherstrategie zur Schaffung ausreichender Speicherkapazität, neue gesetzliche Rahmenbedingungen, um Potenziale zu nutzen (z.B. Befreiung von Netzgebühren), positive Anreize zur netzdienlichen Bewirtschaftung und gezielte Förderungen.
Im Wärmebereich ist zudem ein Gesetz zur Bevorratung von Pellets notwendig.
Erneuerbares-Gas-Gesetz
Gasförmige Energieträger sind speicherbar und eignen sich für die Anwendung in Bereichen, wo hohe Temperaturen erforderlich sind – etwa in der Industrie oder in Kraftwerksanlagen zur Bereitstellung von Ausgleichsenergie. Ein Erneuerbares-Gas-Gesetz (EGG) für Österreich soll sicherstellen, dass in Österreich bis 2030 6,5 TWh erneuerbare Gase zur Verfügung stehen mit dem entsprechenden Pfad für den weiteren Ausbau. Das Gesetz liefert den rechtlich-wirtschaftlichen Rahmen für die erforderlichen Projekte und Investitionen. Die ersten 2 TWh aus bestehenden Biogasanlagen (derzeit noch zur Stromerzeugung) müssen jedenfalls abgesichert werden.
Geothermische Energienutzung
Die tiefe geothermische Energienutzung bietet in manchen Regionen Österreichs ein beachtliches Potential. Die Rahmenbedingungen für ihre Nutzung sind zu verbessern, um eine Umsetzung von Projekten zu fördern. So ist die tiefe Geothermie im Mineralrohstoffgesetz (MinROG)zu integrieren, anstatt sie über das Wasserrecht abzuhandeln. Für die kostspieligen Bohrungen braucht es Modelle zur Risikoabsicherung in Form von Förderungen oder Haftungen.
Staatlicher Infrastrukturfonds
Die Energiewende und deren Finanzierung ist ein generationenübergreifendes Projekt. Allein die Investitionen in leistungsfähige Stromnetze beziffern die Netzbetreiber bis 2040 mit rund 50 Milliarden Euro. Ein staatlicher Infrastrukturfonds soll sicherstellen, dass die erforderliche Investitionssumme den Netzausbau nicht bremst und dass die Kostensteigerung für Netznutzer*innen sozial gerecht verteilt wird. Eine bundesweite Wälzung der Netzausbaukosten schafft eine solidarische Energiewende von Ost nach West.
Kohlenstoffabscheidung forcieren
Ohne technische Kohlenstoffabscheidung aus Rauchgasen und Industrieprozessen ist das Ziel der Klimaneutralität nicht erreichbar. Die Abscheidung des Kohlenstoffs bei Biomassekraftwerken oder bei Biogas-Kraftwerken nennt sich BIOCCS (Bioenergy with carbon capture and storage). Das Potenzial für BIOCCS liegt in der energieintensiven holzverarbeitenden Industrie, großen Bioenergiekraftwerken und auf Biomethan umgerüstete Gaskraftwerke. Um dieses Potenzial zu heben, braucht es ein umfangreiches Forschungs- und Förderprogramm für Pilotanlagen. Außerdem sollten Gaskraftwerke, die zum Erhalt der Versorgungsicherheit weiterhin betrieben werden müssen, mit CCS ausgestattet und mittelfristig auf Biomethan umgerüstet werden.
Flüssige Treibstoffe
Neben der Elektromobilität sind Biotreibstoffe vor allem im Schwerverkehr, bei öffentlichen Transportmitteln, im land- und forstwirtschaftlichen Maschinenpark und im Flugverkehr der Schlüssel zu einer erfolgreichen Energiewende. Beimischungsraten bei Diesel und Benzin sollten weiter erhöht und die Reinverwendung von Biotreibstoffen forciert werden. Die Inlands-Produktion von nachhaltigen fortschrittlichen Biotreibstoffen aus Land- und forstwirtschaftlichen Reststoffen und Nebenprodukten sowie Abfällen sollte ausgebaut und mit einem umfangreichen Forschungs- und Entwicklungsprogramm flankiert werden.