In der österreichischen Haustechnik-Branche sind aktuell 4.071 Lehrlinge aktiv. Um den künftigen Herausforderungen des Marktes zu entsprechen, wäre jedoch eine Verdoppelung erforderlich. Doch wie lässt sich dies realisieren? SHK-AKTUELL sprach dazu mit Robert Frasch, einem der bekanntesten Jugendexperten in Österreich.
Während sich in vielen Bereichen mittels unterschiedlicher Digitalisierungsmöglichkeiten allfälliger Fachkräftemangel halbwegs kompensieren lässt, ist dies im Handwerk nicht oder nur bedingt möglich. Unsere Branche benötigt daher zwingend laufend Nachwuchs. Und zwar deutlich mehr, als bisher. Theoretisch sollte dies kein Problem sein. Sind doch die Energiewende und der Klimawandel längst als zentrale Herausforderungen unserer Zeit im Bewusstsein der Menschen angekommen. Die Realität zeichnet jedoch ein anderes Bild. Blickt man auf die aktuellen Statistiken, hinkt der Installateur-Lehrberuf, was die Attraktivität bei Jugendlichen betrifft, anderen Ausbildungsarten deutlich hinterher. Warum ist das so, Herr Frasch?
Robert Frasch: Darauf gibt es keine kurze Antwort. Zum Einstieg daher ein paar grundlegende Überlegungen. Bezüglich Geburtenrate, also bei der Anzahl an verfügbaren Jugendlichen haben wir inzwischen ziemlich die Talsohle erreicht, schlimmer wird es jetzt nicht mehr. Die guten Nachrichten sind damit aber auch schon zu Ende. Denn während die Alterskohorte der 0 – 19-jährigen seit Anfang der 80er Jahre um rund 450.000 Personen gesunken ist, stieg die Anzahl der über 60-jährigen im selben Zeitraum um rund 750.000 Personen.
Verschiebungen in diesem Ausmaß hat es noch nie gegeben. Dazu kommt noch die unbekannte Auswirkung der Digitalisierung. Gerade in Handwerk und Gewerbe wissen wir, dass wir nicht alles mit digitalen Prozessen lösen können. Mir kommt das so ähnlich vor, wie der Mythos vom papierlosen Büro, aber auch andere Fakten sprechen dagegen. Die Gefahr einer reinen Digitalisierungsdebatte besteht darin, dass wir dadurch manuelle Arbeit weiter abwerten. Derzeit lenkt auch die Politik alle Anstrengungen auf Digitalisierung und damit ist schon vorhersehbar, dass wir hier ein Überangebot schaffen, das gar nicht notwendig wäre. Denn die junge Generation bringt viel mehr digitale Grundkompetenzen mit, als landläufig diskutiert wird. Hier werden, wie so oft in österreichischen Bildungsdebatten, verschiedene Themen miteinander vermischt.
Was dieser Generation aber fehlt, sind soziale Kompetenzen und das Wissen um handwerkliche Arbeit. Wobei, so einfach ist es nicht. Die Verantwortung kann nicht der „Jugend“ zugeschrieben werden. In immer mehr Jugendstudien ist erkennbar, dass sich Jugendliche mehr Zugehörigkeit und echtes Interesse an ihnen als Person wünschen. Und die mangelnde Berufsorientierung wird von vielen Jugendlichen ebenfalls seit Jahren genannt. Echte Lösungen im Schulbetrieb gibt es aber wenige bis keine. Nur haben wir nicht die Zeit, um auf solche zu warten.
Rasch handeln
Die Änderung muss bei uns selbst beginnen, die Jugendlichen sind und bleiben so, wie sie eben sind. Es geht vor allem darum, auf die Lebenswelt der Jugendlichen einzugehen und sich für diese zu interessieren. Dazu gehört zum Beispiel eine rasche Reaktion im Bewerbungsprozess. Dies lässt sich etwa von Onlinehändlern lernen. Sie versenden in der Sekunde eine Bestätigung der Bestellung. Wer also so viele Bewerbungen hat, dass für eine kurze E-Mail keine Zeit bleibt, braucht nicht weiterzulesen. Sollten aber die Bewerber eher nicht Schlange stehen, wäre die Erstellung einer Mail-Vorlage hilfreich, sodass diese kurzfristig und schnell versendet werden kann. Einige wenige Zeilen genügen und sorgen für entsprechende Wertschätzung. Kommt ein Bewerber zum Vorsprechen, sollte er bitte wie ein wichtiger Kunde behandelt werden. Nein, das ist nicht übertrieben. Denn wer keine Lehrlinge für eine Mitarbeit begeistern kann, wird mittelfristig seinen Betrieb nicht aufrechterhalten können. Jugendliche entscheiden sich meist für jenen Ausbildungsbetrieb, bei dem sie das Gefühl haben, dass sie sich wertgeschätzt fühlen. Aber keine Angst, das bedeutet nicht, dass deshalb extra TikTok-Videos & Co angefertigt werden müssen. Zumeist reicht es aus, Kunden, Lieferanten, die lokalen Sportvereine, die Feuerwehr und alle anderen Treffpunkte für Jugendliche zu informieren, dass man ausbildet. Mundpropaganda hilft eben nicht nur bei der Kundenakquise.
Bei der Ansprache sollten jedoch auch die Eltern potenzieller Bewerber unbedingt miteinbezogen werden. Denn sie sind laut allen verfügbaren Studien die wichtigsten Ratgeber, wenn es um die Berufswahl geht. Ein Posting auf Facebook und/oder LinkedIn – somit auf den bevorzugten Socialmedia-Kanälen dieser Generation – kann hier also Wunder wirken. Zudem sind deren Beweggründe ganz anders gelagert, als jene von Jugendlichen. Was spricht beispielsweise dagegen, Eltern von bereits im Betrieb befindlichen Lehrlingen zu befragen, wie es ihnen aus heutiger Sicht mit der Entscheidung für eine SHK-Lehre ihres Kindes geht? Denn es wird in der Regel kaum jemand antworten, diese Entscheidung bereut zu haben. Diese sogenannten „Best-Practices“ haben eine doppelte Wirkung, da sie als objektive Statements von Dritten wahrgenommen werden. Und viele Installationsbetriebe haben zudem ein weiteres Argument, das für Eltern interessant ist. Denn nirgendwo sonst sind die Chancen, dass der Nachwuchs später einmal den Betrieb übernehmen kann, so groß, wie im Handwerk. Eine solide Basis ohne Karrieredruck ist oft genau das, was Eltern für ihre Kinder suchen. Wer also derartige Aussagen auf seiner Homepage zusammenfasst, zählt bereits zu den besten zwei bis drei Prozent am Markt.
Best Practices
Zu guter Letzt noch mein Rat: Unbedingt die bereits verfügbaren Netzwerke nutzen. Die besten Lösungen werden primär im Austausch mit Anderen und nur selten allein gefunden. Beispielsweise bietet das Netzwerk „lehrlingspower.at“ zahlreiche Ausbildungsbetriebe mit ähnlichen Anforderungen und Herausforderungen. Zwar ist nicht immer alles, was große Ausbildungsbetriebe machen, eins zu eins umsetzbar, aber Ideen wie die Messe www.handwerk4future.at werden von vielen Handwerksbetrieben gemeinsam getragen. Zum Schluss noch ein Satz zum Nachdenken: Der ehemalige Kapitän unseres Eishockey-Nationalteams, Dieter Kalt, sagt so treffend: „Es ist, wie es ist. Aber es wird, was Du daraus machst.“ Damit das Lebenswerk auch in Zukunft von fachkräftigen Händen weitergeführt werden kann.
Interview
„Die Bedeutung für unser Berufsfeld wächst“
Im Interview mit SHK-AKTUELL erklärt Berufsschuldirektor-Stellvertreter Bernhard Swatek, warum er sich um das Interesse für eine SHK-Ausbildung kaum Sorgen macht.
Herr Swatek, Sie sind als Direktor-Stellvertreter der Berufsschule für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik Wien direkt an der Quelle unseres Nachwuchses. Wenn Sie die aktuelle Lage mit jener der letzten zehn Jahre vergleichen: Inwieweit hat sich Ihrer Einschätzung nach das Interesse für diesen Lehrberuf geändert?
Die letzten zehn Jahre haben in der Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik eine interessante Entwicklung durchgemacht. In Bezug auf das Interesse für diesen Lehrberuf sehe ich eine deutliche Veränderung. Vor allem in den letzten Jahren hat sich das Bewusstsein der Jugendlichen für Umweltschutz und Nachhaltigkeit erhöht. Dies spiegelt sich auch im gestiegenen Interesse am Installateurberuf wider. Die Jugendlichen erkennen zunehmend die Bedeutung dieses Berufsfeldes für den Klimaschutz und die nachhaltige Gestaltung unserer Zukunft.
Ist es Ihrer Meinung nach gelungen, das Image des SHK-Installateurberufes gegenüber konkurrierenden Gewerken zu heben?
Ja, ich denke, es ist gelungen, das Image des Installateurberufes zu verbessern, wenn auch vielleicht nicht in dem Maße, wie es wünschenswert wäre. Die steigende Aufmerksamkeit für Umwelt- und Klimaschutz hat dazu beigetragen, die Bedeutung dieses Berufs hervorzuheben. Installateure spielen eine entscheidende Rolle bei Umwelt-, Energie- und Klimamaßnahmen. Ihr Fachwissen ist unerlässlich, um nachhaltige Technologien in Gebäuden zu implementieren und einen Beitrag zur Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks zu leisten. Es ist wichtig, weiterhin daran zu arbeiten, das Image des Berufs weiter zu stärken, um mehr junge Menschen für diese wichtige Aufgabe zu gewinnen.
Kürzlich war ja Weihnachten. Wenn Sie einen verspäteten Wunsch an die Bundesregierung frei hätten, der bezüglich der Nachwuchspflege für unsere Branche hilfreich wäre: wie würde dieser lauten?
Wenn ich einen verspäteten Wunsch an die Bundesregierung richten dürfte, der die Nachwuchspflege für unsere Branche unterstützt, dann würde dieser Wunsch darauf abzielen, die Attraktivität der Ausbildung im Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnikbereich weiter zu steigern. Das könnte durch gezielte Fördermaßnahmen, verbesserte Ausbildungsbedingungen und eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Schulen, Unternehmen und staatlichen Stellen geschehen. Eine zukunftsorientierte Ausbildung ist entscheidend, um qualifizierte Fachkräfte zu gewinnen und den steigenden Anforderungen im Bereich Umweltschutz und nachhaltige Technologien gerecht zu werden.
Hintergrund
Ein Drittel der Ausbildungen endet vorzeitig
Wie die „Welt“ kürzlich recherchierte, wurde in Deutschland letztes Jahr fast jeder dritte Ausbildungsvertrag vorzeitig beendet. Für Österreich liegen zwar keine Zahlen vor, man kann jedoch von einer ähnlich hohen Quote ausgehen.
Das für das Zahlenmaterial verantwortliche Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) wies aber darauf hin, dass es sich dabei nicht nur um Ausbildungsabbrüche handele, sondern viele Lehrlinge lediglich Betrieb und/oder Beruf wechselten. Zumindest die Hälfte hätten demnach erneut einen Ausbildungsvertrag abgeschlossen.
Aus Sicht des BIBB könne dies an der positiven Lage am Ausbildungsmarkt liegen, da bei auftretenden Problemen im Ausbildungsverhältnis Lehrlinge eher einen Wechsel vornehmen, wenn sie wegen der günstigen Marktlage davon ausgehen können, relativ einfach einen anderen Ausbildungsplatz zu finden. Außerdem seien Betriebe aufgrund des Nachwuchsmangels möglicherweise eher bereit, Auszubildende einzustellen, die sie für weniger geeignet halten. Dies könnte in der Folge häufiger zu Problemen im Ausbildungsverlauf und einer vorzeitigen Beendigung des Ausbildungsverhältnisses führen.