In einem exklusiven Gastkommentar für SHK-AKTUELL analysiert E-Control Vorstand Professor Alfons Haber die Energiepreisentwicklung, setzt sie in einen Kontext zu den vergangenen Jahren und liefert eine Erklärung, was diese Veränderungen aussagen.
Die Großhandelspreise bei Erdgas und Strom haben in den letzten Jahren eine Berg- und Talfahrt hinter sich. Wenn sich in der Vergangenheit Preise von einem Jahr aufs nächste um zehn oder gar um zwanzig Prozent verändert haben, dann war das schon relativ viel.
Im Jahr 2022 sind die Preise allerdings auf Monatsbasis bis zu zehnmal so hoch gewesen wie noch zu Beginn des Jahres 2021. Seit Anfang 2023 beruhigte sich die Lage aber wieder schrittweise. Anfang 2024 lagen dann die Gaspreise bei etwa 30 €/MWh und die Strompreise bei 83 €/MWh. Den niedrigsten Strompreis hatten wir im April mit etwa 68 €/MWh bei einem Gaspreis von knapp 30 €/MWh. Seither sind die Preise wieder gestiegen. Strom kostet mittlerweile wieder 90 €/MWh und Gas kostete im August durchschnittlich fast 40 €/MWh.
Was erklärt die Preisänderungen?
Die Preisspitzen der Jahre 2021 und 2022 beruhen auf der Verknappung von Erdgas in Europa. Während früher etwa 40 Prozent des Erdgases für die EU von Russland geliefert wurden, so sind es nun nur noch etwa zehn Prozent (ohne LNG).
Auf Wochenbasis hat die EU früher zwischen zwei und vier Milliarden m3 Erdgas aus Russland importiert, der Import liegt derzeit bei etwas über 500 Mio. m3. Dies hat sowohl in Europa als auch weltweit zu einer Verknappung geführt, da die Gasmengen nicht beliebig per Schiff oder auch Pipeline zu anderen Destinationen umgeleitet werden konnten.
2022 musste dann die EU insgesamt, aber vor allem Länder wie Deutschland oder Österreich, ihre Speicher von einem niedrigen Stand aus wieder befüllen, sodass es vor allem im Sommer zu den Preisspitzen bei Erdgas kam. Wird nun Strom aus Erdgas produziert, dann kann man als „Faustformel“ den Gaspreis mit zwei multiplizieren (Gaskraftwerke brauchen etwa zwei MWh Gas für die Erzeugung von einer MWh Strom) und dann noch CO2-Kosten für etwa 0,4 Tonnen CO2-Emissionen dazuzählen. So bekommt man einen Indikator, wo ungefähr der Strompreis aus fossiler Erzeugung liegen sollte.
Das heißt, ein Gaspreis von aktuell 40 €/MWh übersetzt sich in 80 €/MWh für den Gaseinsatz und noch zusätzlich 30 €/MWh für die CO2-Zertifikate (CO2-Zertifikate kosten aktuell 70 €/t CO2). Also müsste derzeit der Strompreis bei Gaskraftwerken bei etwa 110 €/MWh liegen.
Dass das nicht der Fall ist, verdanken wir der erneuerbaren Erzeugung (und in anderen Ländern der Atomkraft), die über geringere Strompreise verhindern, dass in jeder Stunde Gaskraftwerke eingesetzt werden müssen.
Zusammengefasst bestimmen in vielen Stunden die Kosten fossiler Energieträger aber auch für die CO2-Zertifikate, die eingekauft werden müssen, die Preise. Preisdämpfend wirken jene Stunden, in denen ein Einsatz fossiler Kraftwerke nicht notwendig ist, das heißt: je besser die Ausbeute aus Wasserkraft, Wind und PV ist, desto größer ist die Chance, dass die Preise in einer Stunde weit unter den Gestehungskosten von Gaskraftwerken liegen.
Mit dem Ausbau dieser Technologien (oder auch mit der Erwartung niedriger Verbräuche aufgrund zum Beispiel schlechter Konjunktur in der Industrie) steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es zu solchen Stunden kommt. Damit fallen dann auch die Preise für sogenannte Futures, also Verträge für die Lieferung in der Zukunft.
Preise von Gas (und Kohle), CO2, die erwartete Nachfrage und die erwartete Ausbeute an Atomkraft und Erneuerbaren bestimmen so die Preise für Strom für das nächste Jahr in der EU und damit auch in Österreich.
Warum steigen die Preise seit einiger Zeit wieder?
Tatsächlich sind die Gaspreise im August um etwa 40 Prozent höher als noch im März, jene von Strom immerhin um etwa 25 Prozent höher.
Hintergrund ist auch hier die Erwartung, dass es im Jahr 2025 zu einer gewissen Verknappung an Erdgas kommen wird. Mit Ende diesen Jahres laufen die Transportverträge der Gazprom mit dem ukrainischen Netzbetreiber aus und es gilt als wahrscheinlich, dass dann ein Gastransport von russischem Gas über die Ukraine nicht mehr möglich sein wird. Dies würde das Angebot in der EU weiter reduzieren, sodass mehr LNG-Gas importiert werden müsste bzw. der Gaspreis so weit ansteigen muss, dass ineffizientere Gaskraftwerke durch effiziente Kohlekraftwerke im täglichen Einsatz ersetzt werden können.
Bei aktuellen Kohlepreisen gehen viele davon aus, dass dafür ein Gaspreis von etwas über 40 €/MWh notwendig ist, das heißt, die aktuellen Gaspreise reflektieren jetzt schon die mögliche Versorgungslage 2025. Dies ist nachvollziehbar, da ja Gas speicherbar ist und daher jetzt schon eingespeichert wird für diese erwartete Situation.
Das bedeutet aber auch, dass längerfristig nicht mehr mit einer wesentlichen Preissteigerung zu rechnen ist. Kurzfristig ist aber ein Anpassungsprozess Anfang 2025 möglich, auch mit etwas höheren Preisen. Zwischenzeitig hat es nach den kürzlichen Kampfhandlungen in Russland dann auch noch etwas Nervosität gegeben, da sich auf dem betroffenen Gebiet gleichzeitig auch die noch in Betrieb befindliche Gasübergabestation von Russland in die Ukraine befindet.
Befürchtet wurde, dass durch die Kämpfe möglicherweise schon jetzt und nicht erst 2025 die Gaslieferungen über die Ukraine beendet werden könnten. Obwohl die Speicher in der EU bereits zu etwa 90 Prozent gefüllt sind, stellt dies doch, sollte das passieren, eine etwas schlechtere Ausganssituation für die nächsten Jahre dar als erwartet – die Preise steigen daher.
Zusammengefasst kann man also sagen, dass die aktuellen Preise bei Gas und Strom eine Unterbrechung der Gaslieferungen ab Jänner 2025 grob widerspiegeln. Sollte es zu unerwarteten Ereignissen kommen, kann das die Preise sicher nochmals ändern (in beide Richtungen natürlich). Es ist nach aktueller Lage aber nicht davon auszugehen, dass die Preise wieder so extrem ausschlagen wie etwa im Winter 2021 oder gar 2022.
Was kann man nun als Kunde tun?
Grundsätzlich kann man sich langfristig als Kunde nicht wirklich von den Großhandelspreisen abkoppeln. Die wichtigste Entscheidung ist, ob man die Entwicklungen am Markt direkt mitmachen oder eine Preisabsicherung möchte.
Eine Absicherung „verschleift“ die Preisausschläge, sodass man bei steigenden Preisen eine Zeit lang um einiges günstiger fährt, dann aber, wenn die Preise wieder sinken, zahlt man mehr als bei den eher variablen Tarifen.
Wenn man die Entwicklungen frühzeitig erkennt, kann man allerdings typischerweise bisher von einer Kategorie in die andere wechseln, um so immer die für sich relativ bessere Variante zu wählen. Bei steigenden Preisen wechselt man dann in abgesicherte Tarife, bei sinkenden Preisen dann wieder in die variablen Tarife zurück. Das geht für kleine Gewerbekunden und Haushalte relativ problemlos. Im Großgewerbe oder der Industrie erfolgt aber die Beschaffung „back-to-back“. Damit bezeichnet man die Tatsache, dass der Lieferant bei Vertragsabschluss erst die jeweiligen Mengen für den konkreten Kunden beschafft. Deshalb hatten auch Industriekunden während der Hochpreisphase teilweise viel höhere Preise als Haushaltskunden. Es gab keine größeren, bereits beschafften, günstigen Mengen, von denen sie profitieren konnten.
Bei Gas hat man grundsätzlich die Wahl zwischen Festpreisprodukten (Anpassung erfolgt, wenn sich die Umstände ändern), Produkten mit einer automatischen Anpassung, die z.B. einmal pro Jahr erfolgt, und jenen mit monatlicher Anpassung (Floater). Bei Strom kommen dann auch noch die Stunden- oder Spotprodukte dazu. Für größere Kunden gibt es dann noch die Möglichkeit, selbst die Einkaufszeitpunkte und -mengen teilweise oder gänzlich mitzubestimmen. Mittelgroße Kunden haben eher die Möglichkeit, den Preis zu verhandeln. Variable Anpassungszeitpunkte oder sonstige Speziallösungen werden ihnen aber kaum angeboten.
Je nach Kundengruppe und Lieferanten kommen natürlich unterschiedliche Produkte in Betracht. Während Haushalte und kleinere Gewerbebetriebe oftmals durchaus mit variablen Preisen gut fahren, dürfte das für Industriebetriebe eher schwierig sein. Weder lässt sich so verlässlich eine Preiskalkulation der industriellen Produkte im Vorhinein machen, noch eine jährliche Budgetierung der Energieausgaben bewerkstelligen. Hier werden wohl eher Tarifvarianten angebracht sein, die bereits im Jahr zuvor eine Kalkulation erlauben, also Preisfixierungen für mindestens ein Jahr beinhalten.
Floatertarife mit wachsender Beliebtheit
Generell sind Preisgleitformeln in den Lieferverträgen gerade während der Krise besonders wichtig geworden.
Derartige Formeln beziehen sich auf die Änderung von einem oder mehreren Indizes. Üblich sind Monatspreise, Quartalspreise an der Börse oder auch Indizes, die eine ganz bestimmte Beschaffungsstrategie abbilden, wie zum Beispiel der ÖSPI oder ÖGPI der Energieagentur. Empfehlenswert sind Gleitformeln, die transparent und klar zwischen den Energiebeschaffungskosten und den sonstigen Kosten unterscheiden. Ein typischer Monatsfloater besteht daher typischerweise aus zwei Elementen. Einem Indexwert für den Energieteil, der sich mit den Großhandelspreisen ändert (Preis für Lieferung nächstes Monat), und einem Aufschlag, der alle anderen Kosten beinhaltet (absoluter Aufschlag in Cent/kWh).
In der Vergangenheit wurden all-in Preise indiziert, dadurch war dann aber auch etwa die Marge des Lieferanten indiziert, wodurch dieser während einer Hochpreisphase besonders viel verdient. Derartige Varianten haben sich nicht bewährt. Manche Lieferanten haben nun begonnen, auch den VPI als Index zu verwenden.
Beachtet werden sollte, dass dadurch der Preis zumindest teilweise an einen Index gebunden ist, der (fast) nie sinken wird. Je höher der Anteil des VPI ist, desto sicherer werden Preise immer steigen, auch dann, wenn die Energie an sich im Einkauf günstiger wird.
Individuelle Angebote für größere Kunden sind sicher ein Weg, um günstigere Energiepreise zu erhalten. Für kleinere Kunden empfiehlt sich ein Vergleich über den Tarifkalkulator der E-Control unter www.tarifkalkulator.at